>> taz hamburg, 28./ 29. Mai 2005

Schnäppchen aus dem Supermarkt und neue EU-Verordnungen bedrohen das Einkaufen auf Straßen und Plätzen. Nur die Ökomärkte sind bislang von den Umsatzrückgängen verschont geblieben

Dorothea Pleschka geht gern auf den Wochenmarkt – aber nur, um mit alten Bekannten zu klönen: „Es ist zu teuer geworden“, klagt die 82-Jährige:„Ein Apfel kostet hier auf dem Großneumarkt schon mehr als im Hanseviertel.“

Obst und Gemüse kauft sie im Supermarkt – und folgt damit einem Trend, der den Marktbeschickern zu schaffen macht: „Bis zu 40 Buden drängelten sich vor eineinhalb Jahren jeden Sonnabend auf dem Großneumarkt“, erinnert sich der damalige Marktmeister Manfred Kniffke. Inzwischen zählt sein Nachfolger Tim Andresen selten mehr als 25 Stände auf dem großen Platz.

„Viele Kleinbauern und Händler haben langjährige Standorte bereits aufgegeben, weil es sich für sie nicht mehr lohnt“, bestätigt Wilfried Thal vom Landesverbandes des ambulanten Gewerbes in Hamburg. Im Vergleich zu den Vorjahren sei der Umsatz im vorigen Winter allein auf den Märkten in Hamm, Eimsbüttel und Fuhlsbüttel um bis zu 50 Prozent zurückgegangen.

Die verlängerten Öffnungszeiten im Einzelhandel, der Trend zu Fertiggerichten oder auch die aggressive Preispolitik der großen Lebensmittelketten – Thal kennt viele Gründe, warum in der Stadt mit der höchsten Wochenmarktdichte Deutschlands die Käufer wegbleiben: So hätten viele Konsumenten bereits das Gefühl für den tatsächlichen Wert der Produkte verloren. Gerade durch die Schnäppchenpreise der Supermärkte, ärgert sich der 47-jährige Gemüsebauer aus den Vier- und Marschlanden, ginge das Gefühl für den Wert der Produkte häufig verloren.

Anne Benecke kann dem nur beipflichten:„Viele Kunden haben im letzten halben Jahr sehr auf den Preis geachtet“, sagt die Altländer Apfelbäuerin, „egal ob in der Neustadt, in Barmek oder in Uhlenhorst.“ Doch günstiger könne sie ihre Ware nicht verkaufen. Die wachsende Zahl der EU-Verordnungen zur Qualitätssicherung habe gerade in den vergangenen zwei bis drei Jahren die Produktion verteuert – durch zusätzliche Verwaltungsarbeit und Extrakosten: so sei bei der Apfelernte jetzt alle 100 Meter ein Dixie-Klo vorgeschrieben.

Die Öko-Wochenmärkte hat dieser Preiskampf offenbar bislang verschont. „Vor 15 Jahren habe ich den ersten Markt gegründet und seit dem floriert das Geschäft“, berichtet Anne Faika, Organisatorin der zehn Hamburger Öko-Wochenmärkte: „Wer zu uns kommt, hat sich bewusst für Qualitätsware von regionalen Erzeugern entschieden – und ist auch bereit, dafür mehr zu bezahlen.“

Mit diesem Pfund sollten auch die konventionellen Märkten wuchern sollten, rät Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Der persönliche Kontakt zu den lokalen Bauern sei den Verbrauchern sehr wichtig. „Viele haben sich bereits über die wachsende Zahl der Zwischenhändler beklagt, die zum Beispiel Produkte aus Holland und der Türkei anbieten.“ Deshalb fordert Schwartau, die Lebensmittel-Erzeuger aus dem Hamburger Umlandbei der Standvergabe bevorzugt zu berücksichtigen sowie eine gezielte Werbekampagne für die lokalen Anbaugebiete. Für Thal ließe sich Marktattraktivität mit simpler Verkehrsplanung steigern. Er plädiert dafür, an Markttagen mehr Parkplätze einzurichten, um gegen die Konkurrenz der Lebensmittelketten zu bestehen. Deren Anteil am Verkauf von Obst und Gemüse beträgt, wie er sagt, bundesweit bereits 50 Prozent.

Das hat Folgen für die Wochenmärkte. Zwar sei die Zahl der Stände in Mitte von 370 im Jahr 2002 auf inzwischen gut 460 gestiegen, berichtet Sorina Weiland vom Bezirksamt, doch das Angebot habe sich verändert. Immer mehr Kleiderhändler verkaufen da, wo früher Obst und Gemüse feilgeboten wurde. That hofft, dass sich die Lokalpolitiker des Themas annehmen.

Seit Anfang 2004 werden die rund 100 Märkte von den einzelnen Bezirken direkt verwaltet.  Bei Politikern und Stadtplanern seien sie sehr beliebt – als sozialer Treffpunkt und weil von ihrer Anziehungskraft auch die umliegenden Geschäfte profitierten. Ein Selbstgänger sei dies aber nicht. Märkte mit weniger als 25 Ständen zögen bereits deutlich weniger Kunden an, sagt Thal und warnt: „wenn die Märkte schrumpfen, geht den Stadtteilen auch ein Stück Lebensqualität verloren.“

Diese zurückzuerobern, war der SPD-Fraktion im Ortsausschuss Veddel/ Rothenburgsort ein Anliegen. Bereits Ende 2004 stellte sie einen Antrag, um den ehemals lebendigen Veddeler Markt wieder zu beleben, auf dem heute nur noch ein Verkaufsstand steht. „Unsere Idee war, den Händlern die Gebühren zu erlassen, damit sich die Anzahl der Stände wieder erhöht“,  erläutert der SPD-Politiker Klaus Lübke. Eine Entscheidung des Bezerksamtes hierzu steht noch aus. Möglicherweise wird ein Runder Tisch eingerichtet, um eine Lösung zu finden.

 

 

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