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>> NDR Info (Hörfunk): „Zwischen Hamburg und Haiti“ (Reise-Magazin),
gesendet am 28.08.2005


Anmoderation:

Cádiz ist alt, sehr alt. Schon Römer und Mauren und schließlich die Spanier haben die Stadt an der Costa de la Luz erobert. Doch heute zeugen nur wenige repräsentative Bauten von ihrer bewegten Vergangenheit. Das ist vielleicht ein Glück, denn kein aufwändiges Besichtigungsprogramm stört den Bummel durch die alten Kopfsteinpflasterstraßen.

Dagny Eggert hat sich in der Altstadt umgesehen, die auf der äußersten Spitze einer Landzunge liegt. Hören Sie ihren Bericht „Cádiz - Perle im Atlantik. Ein Spaziergang durch die alte andalusische Hafenstadt.“

Sprecherin 1:

Die Sonne scheint auf das Meer. Ihre Strahlen wärmen die Luft über dem Strand. Frauen in schwarzen Badeanzügen sitzen würdevoll auf billigen Klappstühlen und fächeln sich Luft zu. Sie haben Picknick-Decken mitgebracht und eine große Kühltasche. Mit einer Schar Kinder verbringen sie den Tag an der Playa de la Caleta, der kleinen Badebucht im Zentrum der Altstadt. Im Sommer sind sie oft hier, denn sie fahren selten weg. „Warum soll ich woanders Urlaub machen, wo es zu hause doch so schön ist,“ loben sie den von Steinmauern umgebenen Strand.

Sprecher 2:

Cádiz ist jedoch nicht nur bei Einheimischen beliebt. Denn vor den Toren der Altstadt erstreckt sich ein breiter Sandstrand. Kilometer um Kilometer zieht sich die Promenade am Ufer der Neustadt entlang. Mehrstöckige Hochhausappartements garantieren im Sommer den Besuchern aus dem andalusischen Hinterland einen Blick aufs Meer: der weite Atlantik auf der einen Seite, die Bucht von Cádiz mit ihren Werften und Gewerbegebieten auf der anderen. Cádiz ist Provinzhauptstadt und mit 160 000 Einwohnern längst über ihren historischen Kern hinausgewachsen. Durch die Neubauten führt eine mehrspurige Straße direkt zur Spitze der schmalen Halbinsel, eine endlose Schlucht vorbei an unzähligen Hochhäusern. An ihrem Ende versperrt eine trutzige Steinmauer mit Zinnen und Türmen den Weg. Die Puertas de Tierra – die Landtore – markieren den Eingang zur Altstadt.

Sprecherin 1:

In den Gassen hinter der Stadtmauer hält sich morgens noch lange die feuchte Kühle der vergangenen Nacht. Schon früh rasen Autos und Mopeds mit beeindruckender Geschwindigkeit durch die Straßen. Sie hupen vor jeder Kreuzung, um die Entgegenkommenden zu warnen. Die Enge bedrückt ein wenig, denn die Fahrbahn ist einspurig und der Bürgersteig selbst für eine Person zu schmal. Oft trennt nur ein Fußweg die Fronten der mehrstöckigen Häuser, wie im „Barrio del Populo“. In dem volkstümlichen Viertel nahe der Stadtmauer lässt die Seeluft den alten Putz blättern. An den Häuserwänden sprießen Geranien aus bunten Blumentöpfen und vor den Fenstern hängen kleine Käfige mit Kanarienvögeln, die mit ihrem Gezwitscher versuchen, die knatternden Mopeds zu übertönen.

Sprecher 2:

Seit über 200 Jahren hat sich die Altstadt kaum verändert. Ein Labyrinth dunkler Gassen, aus dem sich an der höchsten Stelle der Torre Tavira in den Himmel reckt. Der Turm beherbergt in seinem Obergeschoss eine besondere Attraktion: Eine Camera Obscura zeigt ein lebendiges Bild der Stadt. Bei diesem altmodischen Projektionsverfahren lenken Spiegel und Linsen das Tageslicht in einem dunklen Raum. Die Strahlen fallen in eine weiße flache Schüssel und darin sieht der Zuschauer Cádiz von oben: Rundherum glitzert das Meer in der Sonne und taucht Häuser und Türme in ein gleißendes Licht, während auf den Dachterrassen die Wäsche flattert und Autos klein wie Spielzeug auf der Uferstraße fahren.

Das alte Cádiz ist fast ganz von Wasser umgeben. Nur eine schmale Landbrücke verbindet das historische Zentrum mit dem Rest der langgestreckten Halbinsel: An dieser Stelle steht das Rathaus – an einem palmengesäumten Platz mit Blick auf den Hafen in der Bucht von Cádiz. Nur einige Schritte weiter am Atlantik thront die Kathedrale. 1720 wurde ihr Grundstein gelegt, doch erst nach über 100 Jahren konnte sie fertig gestellt werden, da immer wieder das Geld fehlte. Von ehrgeizigen Bauherren eine Spur zu groß geplant, überragt der massige Kirchenbau mit seiner goldenen Kuppel die pastellfarbenen Häuser an der Uferstraße.

Sprecherin 1:

Bereits am späten Vormittag lässt sich vor der Kathedrale die Hitze der kommenden Stunden ahnen. Auf den Stufen des Kirchenportals sitzen einige Touristen ermattet im Schatten und blicken auf den Platz mit seinen hochgewachsenen Palmen. Von hier aus führt eine Gasse zur Plaza de Topete. Den Platz vor der alten Post nennen die Gaditanos, wie die Einwohner von Cádiz heißen, jedoch seit jeher Plaza de las Flores – Blumenplatz. Hier geht es um die Mittagszeit hoch her: Ältere Damen stehen vor den Pavillons und prüfen kritisch die Pflanzen unter den gestreiften Markisen. Hausfrauen kommen mit schweren Einkaufstaschen vorbei, während kleine Kinder um den Marmorspringbrunnen laufen und die Herren ein Schwätzchen halten.

Sprecher 2:

Ein beliebter Treffpunkt an der Plaza de Topete ist das Café in der Calle Libertad. Bis Mittags gibt es hier Churros, frittiertes Gebäck, welches in heiße dickflüssige Schokolade getaucht wird – genau das Richtige nach einem Einkaufsbummel in der alten Markthalle gegenüber. Sie gleicht ihren Säulen und Wandelgängen einem kulinarischen Tempel. Von hier ist es nicht weit zur Calle Sacramento, der längsten Straße der Altstadt. Am Nachmittag wirkt sie ausgestorben, denn es ist Siesta. Von ihrem Ende ist es ein Katzensprung zum Parque Genovés. Der Park lockt ab mittags jedoch nicht nur die Studenten der nahen Universität.

Sprecherin 1:

Papageien krächzen laut und vernehmlich in den Wipfeln der exotischen Bäume, während Spaziergänger geruhsam durch die verschlungenen Wege schlendern – meistens auf der Suche nach einer leeren Bank im Schatten oder einem freien Stuhl im Park-Café. Viele Studierende verbringen hier bei einem Kaffee die Zeit zwischen den Seminaren. Sie blicken auf einen breiten Sandweg, den kunstvoll geschnittene Büsche säumen, die sich wie grüne Spiralen in den Himmel drehen.

Die Flaniermeile mündet in eine Promenade mit einem herrlichen Blick auf die Bucht von Cádiz. Der Weg führt hoch über dem Wasser ein gutes Stück um die Stadt herum, während tief unter der Steinbalustrade die Wellen an die Mauern der alten Stadtbefestigung klatschen. Unter Bäumen vergeht die Siesta: vereinzelte Männer mit sonnengegerbten Gesichtern verbringen die Nachmittagsstunden auf blau, weiß und gelb gemusterten Kachelbänken und schauen in die Ferne. Eine Brise bewegt die raschelnden Blätter, und auf der anderen Seite der Bucht lassen sich die Häuser von Puerto de Santa Maria erkennen.

Sprecher 2:

Mit dem Nachlassen der Wärme kehrt am späten Nachmittag das Leben in die Stadt zurück, und auch der Appetit regt sich wieder. Lecker ist der eingelegte Katzenhai aus einer der kleinen Fischbratküchen, und in der Bar nebenan freut sich der Wirt, wenn Besucher ihren mitgebrachten Fisch bei einem Getränk genießen.

Nach dem Imbiss ist die richtige Zeit für einen Abend-Spaziergang zur Playa de la Caleta. Der einzige Sandstrand der Altstadt liegt geschützt zwischen zwei Festungen. Im flachen Wasser ankern einige Boote im Schatten einer mächtigen Wehrmauer. Sie gehört zu der Burg an der Nordseite des Strandes. Ihr gegenüber, nur einen Steinwurf entfernt – auf einem Felsen im Meer, liegt eine zweite Verteidigungsanlage und bewacht den Eingang zur Bucht. 

Sprecherin 1:

An dem Damm, der zu der vorgelagerten Festungsinsel führt, brechen sich die Wellen des Atlantiks. Junge und alte Paare flanieren hier auf dem aus grobem Stein gefügten Weg, während Fischer vom offenen Meer heimkehren. Die braungebrannten Angler lenken ihre kleinen Boote unter dem gleichmäßigen Tuckern der Außenbordmotoren langsam in die Bucht. Die Sonne steht schon tief und taucht den Strand und das Kurhaus in ein dunstiges Licht. Das Gebäude aus den Zwanzigerjahren ist gebogen wie eine Mondsichel und öffnet sich einladend zum Wasser hin. Es steht auf Stelzen und scheint über dem Sand zu schweben, während die Sonne langsam im Meer versinkt. Bekannte treffen sich vor der kleinen Bar am Fuße der Strandpromenade. Auch sie genießen die Abendstimmung und die pastellfarbene Dämmerung, mit der sich der Tag verabschiedet.

Musik von Paco de Lucia unterlegen